Dr. Frank Mersch
Kies oder Sand?
Auf diese oftmals gestellte Frage möchte ich nicht eingehen. Viel wichtiger ist es, dass der Bodengrund den Tieren nicht schaden sollte. Die Angebotsbreite im Fachhandel reicht vom hellen, reinen Quarzsand, über gefärbte Sande, schwarze Spezialsande bis zu synthetischen Produkten. Viele Aquarianer wünschen sich einen dunklen Boden, der einen schönen Kontrast zu den Pflanzen und Fischen darstellt.
Aber wie kann ein Sand an sich schädlich sein? Es gibt zwei Möglichkeiten. Zum Ersten kann der Sand scharfkantig sein und somit die Tiere verletzten. Hier sind es meist Panzerwelse, deren Barteln durch die fortgesetzte Schädigung betroffen sind. Hier gibt es einen einfachen Test: Eine Prise des Sands wird auf den Handrücken gestreut und kräftig verrieben. Tritt eine deutliche Hautirritation oder eine Hautschädigung auf, ist der Sand für Aquarien auf jeden Fall nicht geeignet.
Des Weiteren besteht die Gefahr, dass der Sand etwas an das Wasser abgibt, die chemische Gefährdung. Diese Gefahr ist nicht immer so einfach zu erkennen. Falls etwas im Becken zu Beginn aus dem Ruder läuft, sind es nicht immer die Hauptverdächtigen, das Wasser und das Licht, sondern es kann auch tiefer liegen: Der Bodengrund. Leider ist die Chemie des Bodens mit einfachen Mitteln nicht leicht zu bestimmen. Deshalb habe ich in meinen Becken einfachen Spielsand, den der nette Bauunternehmer von nebenan geliefert hat. Wer Bedenken bezüglich irgendwelcher Zusätze hat, dem sei der Wasserflohtest empfohlen. Der Sand wird in einem Gefäß, zum Beispiel Einweckglas, mit Wasser aufgerührt. Parallel dazu wird ein Glas ohne Sand aufgestellt. In jedes Gefäß werden 10 Wasserflöhe gesetzt. Falls der Sand schädliche Zusätze enthält, sterben die Wasserflöhe innerhalb von Tagen. Diese Testmethode ist sogar teilweise Grundlage für die Einschätzung von Umweltgefahren von Stoffen.
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Abb. 1: Flusssand unter dem Mikroskop. Deutlich sind durchsichtige Quarzkörner
und milchige Feldspate zu erkennen. |
Aber wie ist das Vorbild, die Natur? Der Sand der meisten Flüsse ist hell gelb und besteht aus kleinen Quarzkörnern. Die Färbung stammt von geringen Mengen an Eisenoxiden, die sich in den Quarz fest und unlöslich eingebaut haben. Unter dem Mikroskop erkennt man schön gerundete Körner, ohne Kanten und Spitzen, Abbildung 1. Bei genauer Betrachtung erkennt man aber auch Unterschiede in den Körner. Es gibt milchig weiße Körnern, meist aus der Mineralgruppe der Feldspate und schwarze Körner, meist unlösliche eisenhaltige Mineralien.
Nun kommen aber oftmals Hilferufe: „In meinen Sand ist Metall!“ Die genauere Betrachtung gibt aber die Entwarnung, es ist kein Metall, sondern ungiftiger Glimmer, Abbildung 2. Auch hier besteht kein Grund zur Panik. Somit stellt der saubere Flusssand keine Gefahr dar.
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Abb. 2: Glimmer, obwohl Glimmer weich und spaltbar ist, findet man ihn im Sand. |
Dann erfolgt kurze Zeit später meist der zweite Hilferuf: „Das Wasser ist ganz dreckig!“ Dieser Nebel des Grauens stellt sich zu Beginn durch kleine Tonpartikel ein. Der Ton ist ein Verwitterungsprodukt des Feldspats und haftet, genau wie an den Schuhen, am Sand. Relativ kleine Mengen führen zu einer undurchsichtigen, trüben Brühe. Auch hier ist die Antwort: „Keine Panik!“ Im Gegenteil: Von einigen Teilnehmern des Düsseldorfer Stammtisches wurde ein vermehrtes Balzverhalten von Panzerwelsen und Schmerlen beobachtet, wenn neuer Sand ins Becken gebracht wurde. Möglicherweise ist dies in der Wildbahn ein Indikator für die einsetzende Regenzeit, die über die Niederschläge diese Trübstoffe einspült. Einige Firmen gehen so weit und bieten tonartige Suspensionen als Wasseraufbereiter an. Somit ist der Nebel des Grauens höchstens eine Herausforderung beim Einrichten eines Aquariums, das Dekorieren erfolgt im Blindflug.
Nach diesen ganzen Vorzügen des einfachen Flusssandes komme ich zu den Gefahren. Nicht immer ist der Sand ein natürlich gerundeter Sand. Teilweise wird auch Splitt, ein gebrochenes Material, als Sand eingesetzt. Im Bauwesen hat dieses Material teilweise Vorteile. Bei grobem Material erkennt man Splitt am Handrücken-Test. Bei sehr feinem Material wird der Handrücken nicht gereizt, eine Schädigung der Fische ist nicht zu erwarten. Ein typisches Beispiel für Splitt ist Basaltsand oder Basaltsplitt, Abbildung 3. Das Material ist dunkelgrau, kann sehr feinkörnig sein und ist chemisch unbedenklich. Somit ist es, Handrücken-Test vorausgesetzt, ein geeigneter dunkler Bodengrund.
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Abb. 3: Feiner Basaltsplitt, die Kanten
sind so klein, dass Verletzungen nicht zu erwarten sind.
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Jetzt kommt aber sowohl chemisch als auch mechanisch das Horrorkabinett: Das Material ist dunkel gefärbt und von einem unnatürlichen Glanz. Es gibt feineres und grobes Material. Der Handrücken-Test wurde von einer freundlichen Aquarianerin unfreiwillig durchgeführt. Nach der Probennahme bluteten die Finger! Unter dem Mikroskop wird deutlich, dass es sich um ein glasartiges Material, durchzogen von feinen Bläschen handelt, Abbildung 4. Die erste Analysenmethode, die Röntgenstrukturanalyse, ergab, dass es sich um ein Glas handelt. Die Frage ist nur, welche Art von Glas? Zwei unabhängige chemische Analysen, RFA und EDX, ergaben, dass es sich um ein eisenhaltiges Material mit einem gewissen Phosphorgehalt und Schwermetallen handelt. Es ist eine spezielle Form der Hochofenschlacke, die Glasschlacke. Auch Hinweise, es könnte sich um das natürliche Vulkanglas Obsidian handeln, konnten durch Vergleichsmessungen widerlegt werden. Auf Deponien wird Glasschlacke als Sondermüll angenommen! Vor diesem Sand kann ich nach derzeitigem Erkenntnisstand, auch in chemischer Hinsicht, nur warnen.
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Abb. 4: Glasschlacke, ein Schrecken für die
Tiere, „mit höherer Vergrößerung aufgenommen“.
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Um dem Wunsch nach dunklem Bodengrund nachzukommen, wird auch teilweise weißer Sand gefärbt, Abbildung 5. Das ist eigentlich unkritisch, wenn sorgfältig gearbeitet wird. Hier stelle ich ein Beispiel vor, bei dem dies nicht der Fall ist. Der weiße „Grundkörper“ wurde mit einem Kleber und einem schwarzen Pigment aus Eisenoxid und Manganoxid eingefärbt. So weit so gut. Allerdings zeigte das Aquarium beim Einfahren stets einen pH-Wert von über 10! Unter dem Rasterelektronenmikroskop (REM) fielen relativ kleine Verunreinigungen auf.
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Abb.5: Gefärbter Sand.
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Die chemische Analyse im REM mittels Röntgenspektroskopie (EDX) zeigte, dass es sich mit hoher Sicherheit um gebrannten oder gelöschten Kalk, CaO oder Ca(OH)2, handelt. Diese Calciumverbindung trieb den pH-Wert in die Höhe.
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Abb. 6: REM-Aufnahme des gefärbten Sands. Der Pfeil weist auf die Verunreinigung durch CaO oder Ca(OH)2.
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Neben diesen extrem aggressiven Calciumverbindungen besteht die Möglichkeit, dass auch Kalk, CaCO3, im Sand ist. Typisch ist das in Form von Muschelbruchstücken im Seesand. Die sind unschädlich, es sei denn, das Aquarium soll ein richtiges Weichwasser-Biotop werden. Aber auch hier gibt es einen einfachen Test. Etwas verdünnte Salzsäure (5 % bis 10 %) wird auf den Sand gegeben. Alles was als Carbonat vorliegt, schäumt dann auf. Mit etwas Spülmittel bleibt der Schaum erhalten und ist besser zu erkennen. Gips, der ebenfalls das Wasser aufhärtet, lässt sich so allerdings nicht nachweisen. Hier bleibt nur die Kontrolle der gH. Die sollte im Weichwasserbecken, zusammen mit der kH, eigentlich regelmäßig kontrolliert werden.
Fazit:
Sand ist nicht gleich Sand. Neben dem einfachen Handrücken-Test bleibt teilweise nur die Alternative, die Augen offen zu halten. Wo die Nachfrage nach dem Besonderen besteht, wird stets jemand versucht sein, diese Nachfrage mit – wirklich – allen Mitteln zu befriedigen. Allerdings sind die Angebote nicht immer zum Wohle unserer Lieblinge.
Mit freundlicher Genehmigung der
Redaktion der ATInfo und des Verfassers übernommen.