Der Kardinalfisch, Tanichthys albonubes Lin, 1932

Der Kardinalfisch, Tanichthys albonubes Lin, 1932

 

Mathias Ziegler

 

Der Kardinalfisch ist als ausgesprochen einfacher „Anfängerfisch“ bekannt. Obwohl das eine gewisse Berechtigung hat, sind leider immer noch viele unzutreffende oder ungenaue Informatio­nen zu finden. Dieser Artikel soll dazu dienen, einen Teil dieser Informationen zu berichtigen und auch dazu, mehr Aquarianer für diesen Fisch zu begeistern.

 

Herkunft:

Ursprünglich stammen Kardinalfische aus den Weiße-Wolken-Bergen bei Hong Kong und der weiteren Umgebung. Das Klima in Hong Kong und Umgebung ist subtropisch mit relativ starken Unterschieden zwischen Sommer- und Wintertemperaturen. Im Winter liegen die Maximaltem­peraturen zwischen ca. 15 und 20 °C. Im Sommer dagegen werden leicht 35 °C erreicht. In freier Wildbahn sind sie mittlerweile möglicherweise ausgestorben, deswegen sind die Tiere, die man im Handel bekommt ausschließlich Nachzuchten.

 

 
Kardinalfische sind ruhige Fische, die in freier Wildbahn in stark verkrauteten Gewässern mit dichter Randbepflanzung und viel freiem Schwimmraum leben.
© Foto: Elke Weiand

Haltung:

An die Wasserhärte werden keine größeren Ansprüche gestellt. Eine Gesamthärte zwischen 5 und 30 °dGH ist für die Haltung und Zucht geeignet. Die Karbonathärte kann sich auch in einem ähnlichen Bereich bewegen. Sehr wichtig ist aber die Wassertemperatur. Man liest oft, dass Temperaturen über 23 °C den Fischen schaden, das stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit. Um Kardinalfische zu halten ist es besser, den jahreszeitlichen Temperaturwechsel zu simulieren. Im Sommer gilt die Regel mit nicht länger anhaltend Temperaturen über 23 °C, im Winter sollten sie so niedrig sein, dass die Fische die Vermehrung einstellen und ihre Färbung etwas grauer wird. Diese Temperatur liegt bei etwa 20 °C (mein Thermometer ist leider nicht besonders ge­nau). Dieser Temperaturwechsel wirkt sich positiv auf die Gesundheit, die Lebenserwartung und auf das Aussehen aus.

 
Der Kardinalfisch, Tanichthys albonubes , ist ein beliebter Aquarienfisch aus der Ordnung der Karpfenarti­gen (Cypriniformes). Er gehört zur Familie der Karpfenfische (Cyprinidae) und zur Unterfamilie der Weiß­fische (Leuciscinae).

© Foto: Online Aquarium-Magazin

Lebenserwartung/Größe:

In einschlägigen Veröffentlichungen liest man oft von Aquarianern, denen die Kardinalfische schon nach wenigen Monaten eingegangen sind und oft wird ihnen geantwortet, dass diese Tiere eben nur etwa ein Jahr alt würden. Das ist Unfug, denn diese eingeschränkte Lebenserwartung haben sie nur dann, wenn die Wassertemperatur länger über 23 °C liegt. Schon wenn man nur das vermeidet, werden sie etwa 4 Jahre alt; auch diese Lebenserwartung ist nicht die tatsächlich zu­treffende. Wenn man seinen Tieren eine Winterpause mit tiefen Temperaturen gönnt, können sie 8 Jahre alt werden und dabei eine Länge von etwa 4 cm erreichen. Dass die üblicherweise kol­portierten Altersangaben keinen Sinn ergeben, erkennt man schon daran, dass die langen Flossen von Schleierkardinalfischen erst dann richtig ausgebildet sind, wenn das Alter der Tiere etwa 2 Jahre beträgt.

 
Die Naturform des Kardinalfisch besitzt nur einen schwarzen Streifen. Der denkbar anspruchslose Tanichthys albonubes wurde früher auch abwertend „Arbeiterneon“ genannt.
© Foto: Elke Weiand

Beckeneinrichtung:

Kardinalfische stammen aus eher kleinen Fließgewässern mit verkrauteten Stellen. Dementsprechend sollte man auch das Aquarium einrichten. Stellen mit Pflanzen als Versteckmöglichkeit und freie Bereiche mit relativ starker Strömung. Es empfiehlt sich, auf dem Boden Javamoos oder ähnliche Pflanzen zu gruppieren, da diese von den Fischen gerne zum Laichen genutzt wer­den. Damit das Wasser nicht zu warm wird, muss man das Becken entweder kühlen, an einen kühlen Ort stellen oder ohne Abdeckung betreiben.

 
Männchen. Tanichthys albonubes
© Foto: Online Aquarium-Magazin

Vermehrung:

Bei angemessener Temperatur, insbesondere wenn ihnen eine Ruhephase im Winter geboten wurde, vermehren sich die Fische sehr stark. Dazu benutzen sie Javamoos oder andere fein­fiedrige Pflanzen, die den Boden bedecken. Die Elterntiere betreiben keine Brutpflege, fressen aber, wenn überhaupt, nur wenige Eier und jagen kaum Jungfische (wenn überhaupt). Wenn die Fische in einem Artbecken gehalten werden, braucht man sich um den Nachwuchs nicht beson­ders zu kümmern, man sollte im Gegenteil Schnecken oder Garnelen im Becken haben, die einen großen Teil der Eier fressen. Selbst mit Laichräubern im Becken kommen ohne besonderes Jung­fischfutter immer einige Jungtiere hoch. Wenn man gezielt züchten will, kann man ein Männchen und einige Weibchen in ein Zuchtbecken mit reichlich Javamoos, einem Laichmop oder ähnli­chem halten. Die Fische werden bevorzugt morgens immer wieder ablaichen. Die Elterntiere sollten nach dem Laichen aus dem Becken entfernt werden, um die nach wenigen Tagen schlüp­fenden Jungtiere, sobald sie nach ca. einer Woche frei schwimmen, gezielt mit geeignetem Futter versorgen zu können. Weil die Jungfische sehr klein sind, benötigen sie Infusorien als Anfangs­nahrung. Nach einer weiteren Wochen werden auch frisch geschlüpfte Artemia -Nauplien ange­nommen.

Leider werden die Jungfische oft bei höheren Temperaturen gehalten, damit sie schneller wach­sen. Davor kann ich nur dringend warnen, weil es nicht gut für die Gesundheit und für die Ent­wicklung der Fische ist. Auch im Zoohandel findet man oft Kardinalfische mit verkrümmten Wirbelsäulen oder ähnlichen Missbildungen, die wahrscheinlich auf eine zu warme Aufzucht zu­rück zu führen sind.

Futter:

Die Ernährung von Kardinalfischen ist sehr leicht, weil alles gefressen wird, was ins Maul passt. Nur Futter, das auf dem Beckenboden liegt, finden die Fische nicht mehr interessant. Besonders gerne werden Lebendfutter wie Wasserflöhe, Mückenlarven, kleine Insekten und klein geschnit­tenes Gemüse gefressen.

 
Kardinalfisch-Weibchen.
© Foto: : Otto Böhm

Verhalten:

Hier liest man immer wieder: Kardinalfische seien Schwarmfische, die man ab 8 Tiere halten sollte. Auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn das gilt nur bei Wintertemperaturen. Wenn Sommertemperaturen herrschen, ändert sich das Verhalten der Männchen stark. Sie besetzen dann Reviere, wobei besonders jene Stellen im Aquarium beliebt sind, an denen der Boden mit Javamoos bedeckt ist. Diese Reviere werden auch mit beeindruckendem Drohverhalten verteidigt und die unterlegenen Männchen verjagt. Deshalb sollten Versteckmöglichkeiten vorhanden sein. Innerhalb ihrer jeweiligen Reviere versuchen die Männchen dann Weibchen in das Moos zu trei­ben, um dort mit ihnen zu laichen. Auch die Weibchen brauchen Rückzugsmöglichkeiten, um sich zu erholen. Wenn man also versucht, wie man es oft lesen kann, eine Gruppe von 8 bis 10 Tieren in einem 60 cm Becken zu halten, sollte man viele Versteck- und Rückzugsmöglichkeiten im Becken haben. Besonders bei einem offenen Becken sollte man nicht zu viele Männchen ha­ben, weil das gegenseitige Jagen so weit gehen kann, dass die unterlegenen Tiere aus dem Wasser springen. Es sollten auch mehrere attraktive Reviere mit feinfiedrigen Pflanzen am Boden vor­handen sein, um die Aggressionen in Grenzen zu halten. Da sie aber anderen Arten gegenüber friedlich sind, kann man sie in genügend großen Becken mit Arten vergesellschaften, die die jah­reszeitlichen Temperaturänderungen vertragen.

 

 
Eine der Zuchtformen, die man als „Schleierkardinal­fisch“ bezeichnet, besitzt größere Flossen, die rot ge­färbt sind, und einen roten Längsstreifen
© Foto: ATInfo-Archiv

Zuchtformen/Varianten:

* Normaler Kardinalfisch (Naturform)

* Schleierkardinalfisch: eine Variante mit längeren Flossen als die normale Variante.
Die längere Beflossung ist normalerweise erst im Alter von etwa 2 Jahren zu
erkennen. Jüngere Tiere kann man aber daran erkennen, dass der Schleierkardinal in
der Rückenflosse einen gelben Streifen hat, der dem normalen Kardinalfisch fehlt. Die
Schleierform des Kardinalfisches wird oft auch als Venusfisch verkauft. Unter diesem
Namen wird aber der „Chinesische Lampionfisch“ Aphyocypris lini gehandelt, der
gelegentlich als Beifang mit T. albonubes auftaucht und mit ihm verwechselt wird.
Aphyocypris lini stammt aus derselben Gegend und man hielt in früher für eine
Unterart des Kardinalfisches.

* Goldkardinal/Albinokardinalfisch: eine Albinoform, die entweder in der normalen
oder langflossigen Variante auftritt.

Insgesamt kann ich Kardinalfische nur als robuste Fische mit interessantem Verhalten und Aus­sehen empfehlen, da man sie mit geringem Aufwand problemlos halten und vermehren kann. Man sollte sich nicht davon abschrecken lassen, dass sie in der Zoohandlung vielfach uninteres­sant aussehen. Das liegt meistens an den Temperaturen, unter denen die Tiere im Händlerbecken leiden.

Besonders interessant ist auch, dass die Jungtiere mit ihrem blauen, flureszierenden Leuchtstrei­fen anders gefärbt sind als die erwachsenen Exemplare und wie kleinen Neons leuchten.

© „ATInfo“ 10/2007

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